Cadolzburg Neue Schloss

Was für eine Burg, die Cadolzburg!

Cadolzburg Erkerzimmer Akustikdecke unterwegsinsachenkunstCadolzburg Zeichnung unterwegsinsachenkunstCadolzburg Reiherfedern unterwegsinsachenkunstEtliche Burgen habe ich in meiner Kindheit besucht.

Vereinzelt auch später, weil es sich ergeben hat. Ein bisschen Kultur ist besser, als gar keine. Doch warm geworden bin ich mit ihnen nie.

Emotional erinnere ich mich an die Wartburg, da durfte ich als Kind auf einem Esel hinauf reiten. Peter hieß er. Sehr bewegt erinnere ich mich an den unbequem schaukelnden Aufritt. Der nachgebläute legendäre Tintenfleck Luthers; ja, der ist ebenfalls haften geblieben. Schön, sich daran zu erinnern, im Lutherjahr. Leider weiß ich nicht mehr, ob es an der ermahnenden Absperrung davor lag oder an den Erläuterungen meiner Eltern.

Sofern einem selbst das Faible für Burgen fehlt, kann man sie wunderbar in eine Schublade stecken.

Burgen sind geschlossene Wehr- und Herrschersitze, meist auf einer Anhöhe. Eine bedeutende Rolle in Europa spielte sie im Mittelalter. Aber wo fängt das Mittelalter eigentlich an? Es gibt immer viele Ritterrüstungen, Kleider, Waffen, Stiche, Stammbäume, Urkunden, Tongefäße u.s.w.. Meist sind die in verstaubten Vitrinen zu bestaunen. Irgendwie kann man dann grob, jede für sich historisch einordnen. Hmm, wie hieß nochmal der Kurfürst, bevor sie das erste Mal abbrannte? Ach egal: man hat einen herrlichen Ausblick.

Ja, so dachte ich, bis zum vorletzten Wochenende. Freudig blickte ich der Einladung Dr. Tanja Praske’s zum #Hohenzollernwalk auf der frisch eröffneten Cadolzburg in Franken entgegen. Verbunden mit einer Führung von Dr. Uta Piereth und Dr. Sebastian Karnatz. Kuratorenführung sind ohnehin großartig, da sie einen ungetrübten Einblick aus erster Hand vermitteln. Und liebend gerne lausche ich Insiderwissen zu.

Offen gesagt,  selbst eine gute Woche später bin ich immer noch mit all den neuartigen Eindrücken beschäftigt. Ein Hervorheben fällt schwer, da so vieles, ungewohnt belebt hängengeblieben ist. Es war ein fundamentales Erlebnis.

Hätte es bisher eine vergleichbare Ausstellung, wie die in der Cadolzburg gegeben, wäre mein Bild von Burgen heute ein anderes.

Historisch gehe ich jetzt nicht in die Tiefe, das überlasse ich denen, die es wirklich können. Doch einen Umriss, was den Besucher erwarten kann, wage ich gerne.

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Einen erster Einblick in die historischen Gegebenheiten, gibt es bereits vor der Burg, im Burggarten zu bestaunen.

Hier wachsen seltene Urgemüsesorten, wie Butterkohl oder Zuckerwurz. Ebenso Getreidesorten, Kräuter und Nutzpflanzen, die vor allem zum Färben von Stoffen genutzt wurden. Alles zusammengetragen aus historischen Aufzeichnungen. Teils wurden Sorten gar rückgezüchtet. Auch die Beschaffung ist wohldurchdacht, denn man bekommt derartige Exemplare nicht an jeder Ecke. Samenarchive, wie beispielsweise das der Arche Noah, wurden hinzugezogen.

Im Burghof angekommen, katapultiert ein Multimediaguide den Besucher direkt in die Sicht eines früheren Jahrhunderts. Und da ein bloßes durchblättern von Bildern langweilig wäre, gibt es das ganze in Augument Reality. Das kostenlose W-LAN schwirrt nahezu selbstverständlich im ganzen Haus nebenher.

Doch ich lege mal einen Zahn zu.

Gängige Redewendungen kommen oft aus dem Mittelalter. In der Küche mit dem stattlichen, zehnmeter hohen Ochsenschlot, gibt es neben anderen Küchenutensilien, ein sogenanntes Zahneisen zu bestaunen. Das Sprichwort entstammt genau dieser Vorrichtung. Derartige Zahneisen waren die Vorläufer elektronischer Temperaturregler am Herd, indem man die Töpfe höher oder niedriger hängen konnte.

Der Braten dreht derweil genüsslich, knisternd an einem Spieß vor sich hin. Digital, auf einem Monitor. Und wären nicht schon genug Sinne angesprochen, riecht es obendrein nach einer Feuerstätte. Bewusst eingesetzte Gerüche in Museen, kannte ich bis dato noch nicht. Sechs weitere Geruchsstationen begleiten den Besucher in der gesamten Ausstellung.

Der Stammbaum der Herrscher ist hier raumgreifend, die Betten zum reinlegen, die Ritterrüstungen zum reinschlüpfen.

Mehr noch; der Übergang in unsere Zeit wurde ebenso bedacht. Kugelsichere Westen und Polizeihelme stehen als Vergleich real bereit. Ein Ritter aus unserer Zeit flimmert über einen bemerkenswert gewölbten Screen.

Wirkungsvoll inszenierte Reiherfedern, die unter adligen Damen im Zollernkreis als äußerst begehrenswertes Geschenk galten, schweben schön drapiert vor sich hin. Es gibt Schubkästen mit historischen Details zum herausziehen. Wem das zu viel ist, lässt sie zu. Ganz einfach. Tafeln zum drehen, Stationen zum hören, Stoffe zum anfassen, Kleider zum anziehen.

Sogar Platz für ein Tänzchen ist vorgesehen.

Die Tanzlehrer aus dem Mittelalter – direkt an die Wand projiziert. Interaktive Stationen begleiten durch alle Räumlichkeiten der Burg. Wer Lust hat, simmuliert mit einem realen Gegner, spielerisch einen Schwerterkampf und durch VR-Brillen kann virtuell ein Turnier erlebt werden.

Eine letzte Station führt ins Neue Schloss, dem ältesten Teil der Cadolzburg.

Bewusst geht hier der Blick ins zerstörte Innere. Während der NS-Zeit war hier die HJ-Gebietsführerschule anzutreffen. Kurz vor Kriegsende, im April 1945 brennt die Burg im Zuge von Kampfhandlungen bis auf die Außenmauern aus.

Zu jeder vollen Stunde nimmt die Klanginstallation “EchorauM” des Augsburger Klangkünstlers Gerald Fiebig den Besucher auf eine akustische Reise durch die Jahrhunderte der Burg. Aufeinander treffende Schwerter, Kanonen, Flammen, sogar Fledermäuse sind hören. Parallel bietet der Berliner Medienkünstler Pavel Franzusov einen Zeitzeugenblick in Filmsequenzen auf einem Triptychon aus Monitoren.

Wer mehr von der Cadolzburg und vom #Hohenzollernwalk sehen bzw. nachlesen möchte, kann das auf all den wunderbaren Artikeln und Beiträgen der Teilnehmer und Medienvertreter, die hier zusammengefasst sind.

Besser noch: sich selbst ein Bild vor Ort machen!

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PS: Ein herzliches Dankeschön an die Bayerische Schlösserverwaltung und Dr. Tanja Praske für die Organisation und Durchführung nach den offiziellen Öffnungszeiten. Es ist nicht selbstverständlich so spät am Abend, all die Mitarbeiter/innen zu mobilisieren, die es braucht, damit alles im Hintergrund reibungslos abläuft. Dr. Piereth und Dr. Karnatz; vielen Dank für die eindrucksvolle, nachvollziehbare und erlebbare Einführung in die Historie der Cadolzburg. Es war ein ganz und gar wunderbarer erster Einblick. Die hochwertige Restaurierung der Burg. Die architektonische Neuinterpretationen. Das mit so viel Liebe zum Detail gestaltete, multimediale, innovative Ausstellungskonzept. Sichtbar an allen Ecken und Enden. Drumherum; ein kluges Marketing. Sie haben sich sehr weit nach vorne gewagt. Im positiven Sinne; ein Exempel statuiert. Möge ihr Konzept, die anderen Ausstellungshäuser wach rütteln und ihnen nacheifern. So, genug der Worte. Ach, ein letztes noch: Chapeau!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

8 Kommentare zu “Was für eine Burg, die Cadolzburg!

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