Muße, die fehlte in den vergangenen Wochen ein wenig. Muße. Ein Wort. Wohlklingend und doch, aus unserem Wortschatz fast verdrängt. Warum eigentlich? Ist es wirklich der digitale Wandel, der uns unaufhaltsam dialogisch einnimmt und derart beschäftigt, fortwährend mit dem Außen zu agieren? Oder sind es die gesellschaftlichen Erziehungsmuster, die jeder von uns mehr oder weniger mitgenommen hat? Solop formuliert: erst die Arbeit, dann das Vergnügen? Und ist dann die Muße ein Vergnügen oder doch harte Arbeit? Egal ob es Antworten darauf geben kann, sie beschäftigen mich, immer wieder im Kleinen. Die Muße – als eine Schöpferische, Aufbauende. Dazwischen: geschehen lassen. Nicht mehr.
Gerade Kinder können einem das <Geschehen lassen>, so herrlich vor Augen führen. Jetzt meine ich nicht, das bloße Beschäftigtsein, hervorgerufen durch unplanbare Ereignisse, die eine Elternschaft ständig so mit sich bringen mag; nein. Es ist eine Unvoreingenommene, Neugierige, Offene. So, wie sie Rainer Maria Rilke klangvoll in Worte packte; hier von einem, der ihn ausgesprochen gut vortragen konnte und dessen Stimme ich mir immer wieder gerne anhöre. Ebenfalls gerne angehört, habe ich mir diesen Beitrag des Philosophen Wilhelm Schmid zum Thema – Danke Stephanie, für das späte daraufstoßen.
Aus scheinbar kleinen Dingen, kann Großes entstehen.
Eines braucht es jedenfalls um der Muße Raum zu geben; Zeit. Ganz egal, ob viel oder wenig. Apropos Zeit: Isaac Newton soll die Eingabe zur Gravitationstheorie beim betrachten eines Apfels in seinem Garten gekommen sein. Ob schnell oder langsam spielt keine Rolle. Derartige Anekdoten finde ich hoch beeindruckend. Sie geben Mut. Aus scheinbar kleinen Dingen, kann Großes entstehen. Mit diesem Schwung bin ich hineingetaucht. Förmlich abgetaucht in den vergangenen Wochen, habe viel gesehen, erlebt und innegehalten. Die Kunst ist da ein immer nährender Begleiter. Die Zeit ein Ansatz. Eine bewegte Auseinandersetzung damit, hat der Künstler Via Lewandowsky geschaffen. Sein Werk <Wie die Zeit vergeht> dreht fortlaufend im Foyer des MdbK in Leipzig. Ebenfalls zeitintensiv ist dieser 11:22 minutige Loop von Balz Isler, der lief mir in der Hamburger Kunsthalle über den Weg. Es lohnt sich diese Minuten hinzusehen, den Strichen zu folgen und einfach warten was im eigenen Inneren entsteht. Anderen Strichen bin ich auch gefolgt (Foto oben), Philip Loersch, über Bleistifte. Sehr faszinierend.
Ebenfalls faszinierend fand ich dieses Kleinod in Leipzig. Ein einmaliger Laden samt Innenhof mit einer Fülle von Dingen, die Geschichten erzählen, jedes für sich – lebendig aus und in seiner Zeit. Hier hätte ich noch Stunden verbringen können, so viel gab es zu entdecken. Daneben ein Hotel, in dem ich unbedingt bei meiner nächsten Reise einkehren muss – lebendig, ganz nach meinem Geschmack.
Geschmack lag mir auch bei diesem Beitrag sofort auf der Zunge. Urs Fischer, <Ohne Titel> aus dem Jahr 2000. Apfel, Birne, Nylonschnur, Maße variabel. Eine Art Readymade. Die Plastik hing im Hamburger Bahnhof in Berlin, in der Ausstellung <Das Kapital>. Ich mag ohnehin Fischers untitled Arbeiten, die einem die Vergänglichkeit vor Augen halten, die Kurzlebigkeit schonungslos in Echtzeit präsentieren. Auf der Biennale 2011 in Venedig beeindruckten mich erstmalig seine weniger spartanischen, lebensgroßen Wachsfiguren. Zwei Jahre später stand ich dann mal vor einer – auch im hier im Hamburger Bahnhof. Die Vergänglichkeit, der ständige Begleiter, stets aktuell und immer noch mein Liebstes. Bei c/o Berlin kehrte sie in Form eines Umzugs ein, das war ebenfalls vor zwei Jahren. Nun stand ich jetzt Mittendrin im neuen alten Amerikahaus, das erste Mal in diesen Räumlichkeiten und lernte die Fotografien von Adam Jeppesen kennen und war sofort beeindruckt. Weit, tief, still.
Vielleicht ist nach all der Reiserer das aktuelle Kunstgeschehen in München ein wenig zu kurz gekommen? Fasziniert war ich von dieser hier, sogar zweimal – einen ersten Einblick gab es mit der Sammlerin in einer Dialogführung persönlich. Durch und durch inszeniert und trefflich kuratiert war die Kunsthalle München mal wieder. Sehr <geschmeidig>. Apropos Invild Goetz: heute abend, 18:30 Uhr gibt es im Haus der Kunst eine ähnliche Möglichkeit ihr und dem Kurator Dr. Wilmes zu lauschen. Vielleicht lausche ich mit.
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