Alles, nur nicht leicht verdaulich.
Eine gute Stunde blieb noch – für einen kurzen Einblick in die zentrale Ausstellung im Arsenale; der alten Waffenfabrik auf dem einstigen Schiffwerftsgelände zu Venedigs Blütezeit. Hier sollte der Besucher viel Zeit einplanen, denn Okwui Envezor hat für das Biennale Motto <All the Worlds Futures> auch alles hineingestopft, was es so zu erarbeiten gilt. Ein Panoptikum, ein Stimmengewirr, ein breites Repertoire, ein sehr breites. Ja, so habe ich seine bisherigen Ausstellungen auch kennengelernt – kleinteilig, wissenschaftlich, vielschichtig. Alles, nur nicht leicht verdaulich. Hier gilt es, sich die Kunst zu erarbeiten, hart zu erarbeiten. Hinabzutauchen – tief, so tief es geht; um immer weiter vorzudringen in den eigenen abgründigen Kosmos.
Weit komme ich nicht – nicht einmal das erste Drittel der zentralen Ausstellung im Arsenale ist durchkämmt, dann ist es sechs und ich werde mit allen anderen Besuchern herausgekehrt. Doch es hat sich gelohnt, wenn auch nur eine Stunde. Denn genau diese eine Stunde vorzuarbeiten, in einem herrlich leerem Anfangsbereich so kurz vor Schluss, war sehr entspannt. Dieser Zustand spielte mir am nächsten Morgen zehn Uhr nochmals entgegen – ich konnte da weitermachen, wo ich einen Tag zuvor aufhörte. Es waren die Zeichnungen von Olga Chernysheva die mich auf eine ganz besondere Weise eingefangen und vor denen ich viel Zeit verbracht habe. Auch Großwerke wie die Raumfüllende Farbinstallation von Katharina Grosse, der Baldachin aus LCD-Bildschirmen des türkischen Künstlers Kutlug Ataman oder die acht neuesten Selbstportraits von Georg Baselitz beeindruckten sehr – zusammen in ihrer Größe in gewisserweise kleinteilig und wunderbar passend ins Gesamtgefüge.
Weiter ging es zu den einzelnen Länderschauen im alten Schiffwerftsgelände: Arabischen Emitate, Mexiko, Holy Sea, Agentinien, Peru, über Südafrika, Türkei, Singapur, Georgien, Mazedonien, Schweden, Albanien, Slovenien, Chile, Kosovo, Tuvalu, hin zu Irland, Lettland, Latein- Amerika, Mosambik, Italien und China.
Für die Ausstellungen in den einzelnen Palazzos, die quer über die Stadt verstreut sind, reicht die Zeit leider nicht mehr – dafür hätte ich einen Tag mehr gebraucht. Der Focus lag auf den Hauptpunkten Giardini und Arsenale, das war eine bewusste Entscheidung.
Demnächst werde ich noch ein paar Einblicke geben, in Arbeiten, Pavillons und Themen, die bei mir haften geblieben sind. Kein Best of – das Terrain haben schon andere vor mir abgearbeitet wie hier oder hier. Sondern nur persönliche Gedächtnisstützen.
Summasumarum, hat sie mir gefallen; meine erste Biennale. Und auch wenn die Presse die Biennale 2015 mit weniger Lobeshymnen ausstaffiert – muss ich sagen, dass ich sie gerade wegen ihrer Kleinteiligkeit, des schier unendlich scheinenden Spektrums beachtlich fand. Lieber Okwui Envezor es Ist Ihnen durch und durch gelungen – Herz und Verstand zu berühren.
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