Er ist ein Meister multipler Skulpturen. Seine Kunstaktionen brauchen Raum und nehmen ihn sich. Temporär. Kurzweilig.
Faszinierende Serien in all ihrer mehrfachen Einmaligkeit.
Er brachte die Dürer Hasen auf Holzrastern nach Nürnberg, die Eulen nach Athen oder Martin Luther nach Wittenberg. Die Rede ist von Ottmar Hörl, Konzeptkünster.
Nun meldet er sich wieder mit einer spektakulären Kunstaktion und präsentiert die “Nürnberger Madonna“; golden und 600- fach auf dem Kornmarkt in Nürnberg vor dem Germanischen Nationalmuseum.
Hörl schafft damit weitaus mehr als die bloße Präsentation vieler Kopien: er macht aufmerksam. Rüttelt wach. Klärt auf.
Die Serienanfertigung an sich steht als demokratisches Prinzip.
Als Teilhabe am Ganzen; für jeden Einzelnen. Wer ist die Nürnberger Madonna überhaupt? Das war die erste Frage, die in mir in den Sinn kam.
Weniger Meter entfernt, im germanischen Nationalmuseum, steht sie im Original und rückt so gewaltig in den Mittelpunkt. Ein unbekannter Nürnberger Bildschnitzer erschuf sie um 1510. Die Nürnberger Madonna ist Teil einer Kreuzigungsgruppe, die aus drei Figuren bestand: einem gekreuzigten Christus mit den Trauernden Johannes und Maria zu seinen Füßen.
Sie gilt als Meisterwerk der deutschen Bildhauerei im Übergang von der Spätgotik zur Renaissance.
Vielfach wurde sie kopiert: graphisch, aus Holz, aus Gips, aus Alabastar Mamor – je nach Geldbeutel. Mitte des 19. Jahrhunderts waren etliche ihrer Repliken in Nürnberger Haushalten anzutreffen. Sie war weit über die Stadtgrenzen bekannt, in all ihrer unnahbaren, gefestigten Eleganz.
Und so korrespondieren die golden Kopien im Außenraum mit der originalen Madonna im Inneren des Museums. Sie transportieren die Botschaft nach in die Welt. Gleichförmig uniform und doch autark. Ganz selbstverständlich, auf sechs Ebenen ihrer Tribühne – so, als würden Sie schon immer da stehen.
Tun Sie natürlich nicht, sondern nur temporär, bis zum 17. September 2017. Viel zu kurz und lange genug.
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